Fotos auf einem Friedhof? Auf die Idee können doch auch nur wieder Cosplayer kommen, oder?
Achtung: Dieser Beitrag wurde aufgrund der vielen Nachfragen zum Thema verfasst.
Er soll dir etwas Orientierung geben und als Denkanstoß gelten, das Thema sensibel zu behandeln.
Es gibt viel zu bedenken und zu berücksichtigen. Gegen Ende des Beitrags findest du eine entsprechende Liste.
Fast immer wenn ich ein Foto, welches auf einem Friedhof aufgenommen wurde, gepostet habe, wurde ich gefragt: “Findest du es gut, wenn man im Cosplay Fotos auf einem Friedhof macht? Darf man überhaupt ein Fotoshooting auf einem Friedhof haben oder ist das verboten?”
Darf man auf dem Friedhof fotografieren?
Also, darf man das überhaupt? Tatsächlich habe ich einfach kurz gegoogelt und konnte kein Verbot diesbezüglich finden. Prinzipiell ist das Fotografieren auf Friedhöfen erlaubt, da es sich bei diesen in der Regel um öffentliche Orte handelt. Es gibt auch privat betriebene Friedhöfe, bei denen dann natürlich das Hausrecht gilt.
Auch das Fotografieren der Grabsteine scheint prinzipiell gestattet. Lediglich das Fotografieren von anderen Personen, darf, wie sonst auch, nicht ohne deren Einverständnis passieren.
Findest du es nicht pietätlos?
Rechtlich gesehen scheint also das Fotografieren erlaubt zu sein, aber wie sieht es moralisch aus? Tatsächlich gehen hier die Meinungen stark auseinander. Verständlicherweise. Denn jeder einzelne hat einfach ein völlig anderes Verhältnis zu Friedhöfen. Das hängt zum einen sehr stark von persönlichen Erlebnissen sowie der eigenen Erziehung ab. Außerdem glaube ich, dass ebenso das Umfeld, in welchem man aufgewachsen ist, dieses Verhältnis stark prägen können.
Natürlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob eine Fotosession auf einem Friedhof etwas ist, dass man moralisch vertretbar findet. Ich persönlich sehe, wenn man sich an bestimmte Regeln hält, auch kein großes Problem damit. Das hängt aber in erster Linie auch damit zusammen, wie ich aufgewachsen bin und welchen Friedhof ich für meine Fotoshootings ausgewählt habe. Denn auch die Wahl der Lokalität spielt eine Rolle.
Wusstest du, dass es Friedhöfe gibt, die regelmäßig von Touristen aufgesucht werden? Beispielsweise ist der Zentralfriedhof in Wien ein beliebtes Ausflugsziel. Er gehört zu den größten Friedhofsanlagen in Europa und beinhaltet einige Gräber von Berühmtheiten wie Ludwig van Beethoven oder Falco.
Der Friedhof und Ich – mein persönliches Verhältnis
Bis ich 21 Jahre alt war, habe ich am Dorf direkt neben dem Friedhof gewohnt. Beerdigungen, Überführungen, Taufen, Hochzeiten und andere Kirchenfeste habe ich häufig hautnah aus meinem Kinderzimmer heraus miterlebt. Der Blick meines Zimmers fiel auf das Leichenschauhaus, das Fenster unseres oberen kleinen Wohnzimmers sowie auch das Fenster des Badezimmers zeigten zum Friedhof. Nicht nur einmal ist das Fernsehprogramm, auf welches ich mich nach einem anstrengenden Schultag gefreut hatte, von Blasmusik der Trauergemeinde übertönt worden. Ausgerechnet dann, wenn die älteren Geschwister nicht im Haus waren und man endlich einmal die Macht über den Fernseher bekommen hatte.
Wenn eine Beerdigung anstand, haben wir nicht draußen gespielt oder waren nur leise im Garten. Bei Hochzeiten haben wir Seile gespannt, um das Brautauto aufzuhalten, damit das Brautpaar Münzen aus dem Auto warf, um sich die Weiterfahrt zu “erkaufen”.
Im Dunkeln nach Hause laufen? Stets mit Blick auf den Friedhof. Wasser für den Sandkasten auf dem Spielplatz nebenan holen? Natürlich aus dem Brunnen des Friedhofs, der sich ebenfalls direkt nebenan befand. Als Teenager nachts mit Freunden als Mutprobe über den Friedhof schlendern? Check. Nach dem jährlichen Dorffest, welches oft Tür an Tür mit dem Friedhof stattfindet, die kurze Route über den Friedhof nach Hause nehmen? Für mich und alle anderen aus dem Dorf, bis auf etwas Gruselfeeling, überhaupt kein Problem.
Meine persönliche Friedshofs-Etikette
Du siehst, der Friedhof meines Heimatdorfs wird häufiger auch als Abkürzung von A nach B genutzt. Früher, als der angrenzende Spielplatz noch einen Sandkasten hatte, waren auf dem Friedhof auch immer wieder Kinder unterwegs, um sich Wasser und Gießkannen zu holen. Aufgrund des benachbarten Spielplatzes war somit auch auf dem Friedhof immer wieder Lärm von spielenden Kindern zu hören.
Da ich selbst direkt nebenan aufgewachsen bin, habe ich eine etwas abgeklärtere Haltung. Für mich ist ein Friedhof, je nach Anlage, oft eher wie eine Art Park, in dem man sich ruhig verhalten, aber durchaus einfach hindurch schlendern kann.
Wenn ich mich also dann einmal auf unserem Friedhof für ein Fotoshooting einfinde, achte ich dennoch sehr auf einige Punkte. Denn nichtsdestotrotz ist ein Friedhof noch immer ein Ruheort und auch ein Ort der Trauer, welchem man mit Respekt begegnen sollte.
Unser Friedhof steht auf demselben Grund wie auch die Kirche. Das heißt, dass ich bei einem geplanten Shooting auch auf die Zeiten der regulären und außerplanmäßigen Gottesdienste (Hochzeit, Beerdigung, Taufe, Konfirmation, etc.) achten muss. Ich persönlich shoote tatsächlich nur dann, wenn sich keine anderen Personen in der Nähe befinden bzw. der Friedhof gänzlich unbesucht ist. Selbstredend sollte kein Fotoshooting stattfinden, wenn eine Beerdigung bzw. Trauerfeier oder ein Gottesdienst stattfindet. Ist das Leichenschauhaus belegt oder wird ein neues Grab ausgehoben, halte ich mich fern. War erst vor kurzem eine Beerdigung oder gab es einen tragischen Todesfall, dann ist der Friedhof für mich tabu.
Achte am besten auch auf die entsprechenden christlichen Feiertage. Wenn bestimmte Feiertage bevorstehen, sind im Vorfeld häufig mehr Personen auf dem Gelände und pflanzen Gräber neu an. Außerdem war meinen Eltern wichtig, dass man auf meinen Fotos keine Namen auf den Gräbern lesen kann. Rechtlich ist das laut Internet kein Problem, allerdings komme ich vom Dorf und man kennt sich. Daher achte ich bei meinen Fotos darauf, dass Gräber eher von hinten zu sehen sind oder die Namen nicht im Fokus stehen. Etwas, das ich generell jedem empfehlen kann.
Ein respektvoller Umgang ist vor Ort einfach das A und O. Ich setze oder stelle mich nicht auf Gräber, ich bin leise und wir fotografieren stets schnell und ohne großes Equipment. Wie Mäuse, die sich schnell einen Käse stibitzen, ohne dass uns jemand bemerkt. Wenn jemand kommt, verziehen wir uns.
Wenn du also ein Fotoshooting auf einem Friedhof planst, dann habe ich einige Punkte für dich, über welche du dir im Vorfeld Gedanken machen solltest:
- Wo befindet sich der Friedhof und wie stark wird er frequentiert?
- Ist der Friedhof öffentlich oder privat geführt?
- Gibt es Öffnungszeiten?
- Gibt es eine Friedhofsordnung, die das Fotografieren untersagt? (Eventuell benötigst du auch eine Genehmigung.)
- Ist es unbedenklich am Wunschtag vor Ort zu shooten oder finden Gottesdienste, Beerdigungen, Grabpflege oder anderes statt? Achte auch darauf nicht kurz vor oder nach Beerdigungen den Friedhof zu nutzen.
- Handelt es sich beim geplanten Tag deines Shootings um einen religiösen Feiertag?
- Sind deine Wunschmotive frei zugänglich? Sind sie eher geschützt oder von allen Seiten für mögliche Zuschauer frei einsehbar?
- Befinden sich kleine Kindergräber oder frisch angelegte Gräber in der Nähe?
- Wurde vor kurzem ein Grab neu ausgehoben oder ist die Leichenhalle belegt?
- Ist dein Shooting mit wenig Equipment und wenigen Personen diskret umsetzbar? (Am besten nur Kamera, Fotograf und Model.)
- Kannst du das Shooting schnell abhalten oder würde es Stunden dauern?
- Kannst du, sollten Trauernde eintreffen, schnell das Feld räumen?
- Ist das Kostüm “unbedenklich” oder im Kontext der letzten Ruhestätte eher fragwürdig oder sogar respektlos?
- Hast du dir Gedanken über Posen und Motivideen gemacht, damit diese nicht (ungewollt) respektlos erscheinen?
Plane und verhalte dich beim Shooting stets so, dass du diskret und respektvoll bist. Bedenke weswegen andere Personen den Friedhof besuchen und dass ein solcher Besuch für Angehörige einer erst neulich verstorbenen Person eine gänzlich andere Bedeutung hat.
Wenn du dich als Vorbereitung bei deinen Überlegungen auch in andere Personen hineinversetzt, dann fällt es dir leichter das Shooting entsprechend respektvoll zu halten. Frag dich, ob für jemanden, der mit Fotografie oder Cosplay nichts zu tun hat, dein Outfit, deine Pose oder das Motiv als respektlos aufgefasst werden kann. Falls ja, dann geh noch einmal in dich und überdenke das Shooting. Muss es wirklich ein Friedhof sein? Wo werden die Fotos im Anschluss veröffentlicht? Wie könnten Personen online reagieren?
Ja, Fotos im richtigen Ambiente können genial sein. Aber stelle “Cosplay” nicht über alles und achte auf dich und dein Umfeld. Für mich persönlich ist es in Ordnung auf meinen heimischen Friedhof Fotos zu machen. Allerdings achte ich hierbei auch genau darauf es nicht zu übertreiben und wäge ab. Die meisten Shootings vor Ort haben vielleicht gerade einmal 15 Minuten gedauert.
Inzwischen wohne ich in einer Kleinstadt und nicht mehr bei meinen Eltern. Hier auf dem Friedhof meines aktuellen Wohnorts würde ich tatsächlich auf gar keinen Fall ein Fotoshooting planen oder durchführen. Die Entscheidung und Wahrnehmung ist einfach individuell. Es wird auch sicher immer jemanden geben, der ein Fotoshooting auf einem Friedhof, zurecht, als absolut unpassend empfindet. Auch das sollte dir bei deinem Vorhaben klar sein.
Vielleicht hast du ja das Glück und hast einen sehr alten Friedhof in erreichbarer Nähe, der nicht mehr genutzt wird? Dort wirst du wohl kaum jemanden stören.
Ich hoffe, dass ich dir mit meinen Gedanken und Erfahrungen ein paar Denkanstöße mit auf den Weg geben konnte. Hast du bereits selbst Erfahrungen gesammelt? Wie stehst du zu Fotos auf einem Friedhof?
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